Herr Thomet, was hat den Ausschlag gegeben, das Berufsbild und damit
die Ausbildung des Gebäudereinigers anzupassen?
Daniel Thomet: Über ein Jahrzehnt ohne Totalrevision, während sich die Branche rasant weiterentwickelte: Neue Technologien, geänderte Reinigungsmethoden und höhere Anforderungen an Geräte, Materialien und Mitarbeitende machten eine Anpassung überfällig. Die stetig wachsende Komplexität erfordert mehr Qualität und Professionalität – genau das spiegelt sich nun in einem klar definierten Qualifikationsprofil wider.
Hat die neue Ausbildung bereits mehr Zulauf als die bisherige zum Gebäudereiniger?
Daniel Thomet: Nein, das Niveau ist in etwa gleichgeblieben. Ein grosser Ansturm war aber auch nicht zu erwarten. Das neue Berufsbild muss sich in der Branche und bei den Jugendlichen erst etablieren. Das braucht Zeit …
Was stand bei der Neukonzeption im Vordergrund?
Daniel Thomet: Im Mittelpunkt stand der Wechsel von der rein ausführenden Rolle hin zu mehr Selbstorganisation. Anstelle des Prinzips «Hier ist der Plan, mach das und melde dich, wenn du fertig bist» rücken Selbstkompetenzen in den Fokus: Richtig kommunizieren, koordinieren, Zeitpläne erstellen, Teams zusammenstellen, Sicherheitskontrollen durchführen, gesetzliche Vorschriften einhalten, Materialien kritisch beurteilen, rapportieren und Verbesserungsvorschläge einbringen. Kurzum: die Fachkraft, wie man sie sich vorstellt.
Warum ist das wichtig?
Daniel Thomet: Unter anderem, weil die Zielgruppen immer heterogener werden. Es geht längst nicht mehr nur um klassische Reinigungsfirmen. Auch Institutionen wie Spitäler, Altersheime oder andere öffentliche Einrichtungen bilden heute Reinigungstechniker/innen aus. An vorderster Stelle steht übrigens Login. Die Schweizerische Bundesbahn, die sich auf die Berufsbildung im öffentlichen Verkehr und Immobilien spezialisiert hat, bildet schweizweit am meisten Reinigungsfachleute aus. Reinigungstechniker/innen müssen sich also überall zurechtfinden.
Und wie wird dieser Anspruch in der Ausbildung umgesetzt?
Daniel Thomet: Zum einen durch die Einführung eines prozessorientierten Aufbaus. Anstatt einfach Tätigkeiten abzuarbeiten, richten wir uns konsequent am Prozesskreislauf aus. Die Lernenden überlegen zunächst, was getan werden muss, wie es umzusetzen ist, setzen es praktisch um, überprüfen die Ergebnisse, reflektieren den Ablauf, bringen Verbesserungsvorschläge ein und schliessen den Prozess ab. Dieser Kreislauf ist auch im Qualifikationsprofil verankert.
Und zweitens?
Daniel Thomet: Zweitens wurde die Reform schweizweit gemeinsam mit allen Landesteilen – inklusive West- und Südschweiz – erarbeitet. Zudem sind
die überbetrieblichen Kurse (ÜK) und die Berufsfachschule stärker in den Prozess eingebunden. Semesterweise vermittelte Grundlagen aus der Schule werden im Betrieb angewandt und in den ÜK vertieft. Damit arbeiten alle drei Lernorte (Betrieb, ÜK, Schule) eng zusammen und begleiten den gesamten Ausbildungsweg bis zum Qualifikationsverfahren. Auf diese Weise entwickeln die Lernenden ihre Kompetenzen schneller und effizienter.
Was heisst das konkret?
Daniel Thomet: Nicht mehr möglichst viele Reinigungsmethoden kennen, sondern einen kompletten Tagesablauf eigenständig und mit der korrekten Methode umsetzen – das ist das Ziel. Dabei tritt die reine Technik in den Hintergrund. Entscheidend ist, dass die Fachperson ihre Kompetenzen im gesamten Arbeitsprozess beweist. Also weniger reine Material- oder Warenkunde, sondern situationsbezogenes Lernen: «Was brauche ich für diese spezielle Aufgabe?».
Die Anforderungen steigern sich dabei kontinuierlich.
Was erhofft man sich von der neuen Ausbildung?
Daniel Thomet: Der EFZ-Abschluss soll eine solide Grundlage bieten, damit Fachleute direkt nach der Lehre eigenständig oder im kleinen Team arbeiten können. Sie sollen also bereits in der Grundbildung das Niveau eines Fachmanns bzw. einer Fachfrau erreichen, ohne erst die Berufsprüfung absolvieren zu müssen, die sich in einem nächsten Schritt auf Kompetenzen im Managementbereich konzentriert.
Zusätzlich bietet die EBA-Ausbildung eine niederschwellige Einstiegsmöglichkeit ins Berufsfeld, um Personen zu integrieren und sie bei Eignung auf EFZ-Niveau weiterzuentwickeln. Langfristig streben wir an, mehr «Mitdenkende» in der Branche zu haben, die anspruchsvollere Aufgaben übernehmen können.
Welche Auswirkungen hat die neue Ausbildung auf das Image des Berufs?
Daniel Thomet: Die Modernisierung der Ausbildung hebt das Image des Berufs erheblich an. Anstatt nur verschiedene Reinigungsmethoden zu erlernen, stehen nun technische Aspekte wie der Einsatz von KI, der Umgang mit Reinigungsrobotern und IT-Kompetenzen zusätzlich im Vordergrund. Dies macht den Beruf für junge Menschen attraktiver, da er als zukunftsorientiert, anspruchsvoll und technisch interessant wahrgenommen wird – weit entfernt vom veralteten Bild, lediglich «putzen» zu lernen.
Der Beruf wird also tatsächlich auch komplexer und herausfordernder?
Daniel Thomet: Ja, das ist so. Das Berufsbild konzentriert sich heute auf alle Aspekte der Reinigung und verdeutlicht damit die tatsächliche Komplexität dieses Bereichs. Diese Vielschichtigkeit wurde bei der Entwicklung des Berufsbildes erkannt und bestätigt. Es ist nun wichtig, diese Komplexität der Gesellschaft zu vermitteln, um das «Stiefmutter-Dasein» des Jobs zu überwinden. Stattdessen soll der Beruf als anspruchsvoll, spannend und herausfordernd wahrgenommen werden, der den gestiegenen Anforderungen entspricht – deutlich komplexer als viele zunächst annehmen.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
Daniel Thomet: Breit gefächerte. Über die Berufsprüfung können sich Fachpersonen zu Bereichsleiter/innen Reinigungstechnik qualifizieren. Darüber hinaus sind spezialisierte Weiterbildungen möglich, etwa für den Einsatz in Spitälern, im Gesundheitswesen, in der Gastronomie oder Hotellerie. Auch technische Berufe im Hauswartungs- und Immobilienbereich werden durch ergänzende Qualifikationen zugänglich. Wer sich weiterbildet, kann relativ rasch in mittlere Kaderpositionen aufsteigen, sei es in Unternehmen oder öffentlichen Institutionen
Welche Erfahrungen haben ersten Lehrbetriebe gemacht?
Daniel Thomet: Die Rückmeldungen zeigen, dass sich die Betriebe intensiv mit den Neuerungen auseinandersetzen und diese aktiv umsetzen. Die bereitgestellten Ausbildungsunterlagen werden stark genutzt, was sich in den zahlreichen dazu gestellten Fragen widerspiegelt.
Wann wurde eigentlich der Beruf des Gebäudereinigers lanciert?
Daniel Thomet: Das war 1989. Damals etablierte man zunächst eine Berufsprüfung, um Fachkräfte mit vertieftem Know-how zu qualifizieren. Diese Vorgehensweise war allerdings nicht ideal, da den vielen Quereinsteigern eine Grundbildung fehlte. Rückblickend betrachtet, wäre es besser gewesen, zuerst eine solide Grundausbildung zu schaffen und darauf aufbauend die Berufsprüfung einzuführen. Die Branche schuf den Beruf aus einer Notwendigkeit heraus, um den wachsenden Bedarf an qualifiziertem Personal in diesem jungen Gewerbe zu decken. Die ersten Lernenden starteten 1998 an der Berufsschule Olten.
Wird es die neue Ausbildung auch schaffen, angelernte Arbeitskräfte zu qualifizierten Fachkräften zu machen und den Fachkräftemangel zu verringern?
Daniel Thomet: Ja, wir haben das Berufsbild bewusst so angepasst, dass auch Erwachsene, die bisher keinen Lehrabschluss haben, davon profitieren können. Personen, die bereits in der Branche tätig sind, können nun ins duale Bildungssystem integriert werden und ein EFZ innert zwei Jahren absolvieren. Dadurch eröffnen sich enorme Möglichkeiten: Über 60 000 ungelernte Arbeitskräfte können so zu qualifizierten Fachkräften entwickelt werden. Die zunehmenden Abschlüsse in diesem Bereich zeigen, dass dieser Ansatz bereits heute erfolgreich genutzt wird.

Der Experte Daniel Thomet
leitet bei Allpura den Bildungsbereich und war federführend an der umfassenden Überarbeitung der Ausbildung Reinigungstechniker/in EBA und EFZ sowie der
Berufsprüfung beteiligt. Ursprünglich aus der Gastronomie und Hotellerie kommend, qualifizierte er sich zum Fachlehrer in der Berufsbildung weiter. Er verfügt zudem über umfangreiche Erfahrungen in Change-Management, Konzeptentwicklung und Organisationsaufbau. Seit vier Jahren ist er Teilzeit bei Allpura tätig und betreibt parallel zwei Firmen, die Branchenbildungsprojekte entwickeln und Fachliteratur verlegen.